Etappe II Kaukasusregion
Batumi empfängt uns mit totalem Verkehrschaos und jeder Menge Hotelhochhäuser. Offenbar lässt der Tourismus die Stadt aufblühen. Wir probieren das erste Mal unsere Bolt-App aus, da es keinen zuverlässigen ÖPNV gibt. Funktioniert. Kurz ins Hostel, die erste größere Wäsche in Auftrag gegeben und ab an den Strand. Steinstrand und steil abfallendes Ufer. Nach drei Metern muss man im lauwarmen Wasser schon schwimmen. Hinterher wird die Stranddusche genutzt, ansonsten brennt das Salz auf der Haut.
Wir mieten uns zwei Fahrräder und fahren die Promenade rauf und runter. Es ist Nachsaison, die einheimischen Jungs müssen dem nicht mehr vorhandenen Publikum zeigen, was sie im Sommer so an Tricks auf ihren Elektrofahrrädern und -rollern gelernt haben.
Abends suchen wir uns was Nettes zum Essen. Teigtaschen (hier heißen sie Kinkhali) - sehr lecker, dazu n bisschen frisches Gemüse. Tomaten/Gurken mit Zwiebeln und Walnüssen. Und Aubergine mit Granatapfelkernen. Beim Spaziergang zurück durch die Stadt finden wir noch einen Cryptowährungsautomaten mit untypischem Publikum und später - endlich - meine geliebten Tschurtschchela (Walnüsse/Haselnüsse in Traubensaftkuvertüre). In der Altstadt herrscht nette Ausgehstimmung, allerdings ist das feuchtwarme Wetter reichlich schweißtreibend...
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Etappe II Kaukasusregion
Aufstehen um 7.00 Uhr. Wäsche abnehmen. Bloss nix vergessen!
Eigentlich wollten wir mit der Bahn fahren. Es gibt drei vernünftige Verbindungen am Tag, da hab ich gedacht, das ginge kurzfristig. Vor drei Tagen wollte ich langsam mal schauen, welchen Zug wir nehmen. Mit einer Woche Vorlauf war alles ausgebucht. Ärgerlich, weil ich längst die App eingerichtet und buchungsfertig gemacht hatte. Aber so ist das. Manche Züge bucht man Wochen im voraus und hätte im Zug noch ne Karte kaufen können. Hier waren die Tickets ruckzuck weg.
Egal. Dann eben ne Busverbindung gesucht, jetzt allerdings schon mit Zeitdruck. Gab noch Plätze, aber der Bus war auch schon ordentlich voll. Heute bei der Fahrt komplett voll. Wir fahren in nem modernen chinesischen Bus (Yutong) - an jedem Platz USB, Sitze komfortabel und kipp- sowie seitlich verschiebbar. Klimaanlage funktioniert, Federung ist in Ordnung. Gibt auch wieder WLAN, diesmal sogar mit Unterhaltungssystem (Filme, Bücher, Musik, …)
Es geht durch abwechslungsreiche georgische Landschaften. Bewaldete Gebirgszüge, große Ebenen - alles reichlich grün. Und wir kommen durch einige Dörfer. Die Häuser scheinen alle gleich - quadratische Grundrisse, zwei Etagen, kleine Gärten mit Obstbäumen, manchmal etwas mehr Fläche, dann gibt's auch Mais. Gelegentlich ein, zwei Kühe.
Am Nachmittag sind wir in Tbilissi. Und steigen gleich auf den ÖPNV um. Busse fahren reichlich, Kleinbusse (Marshrutka) auch. Wir müssen uns etwas orientieren, aber mit den google-Fähigkeiten meiner Tochter klappt das auf Anhieb. Alle Fahrten kosten 0,50€. Einzig mit den Anzeigen an den Haltestellen kämpfen wir. Georgisch gehört nicht zu unserem Programm...
Das Klima ist sehr angenehm. Abends sitzen wir bei leichtem Wind auf nem Hügel an einer Kathedrale. Drinnen läuft der Gottesdienst, wir genießen den Blick über die Stadt. Danach gehen wir nett essen - die Küche ist phantastisch. Sowohl Fleisch vom Grill als auch Rote Beete, Aubergineen, Bohnen, ... in diversen Variationen. Dazu Brot pur, mit Käsefüllung, Blätterteig und und und. An nem Obststand holen wir uns frische Pfirsiche und Khaki. Nebenan gibt's Kwas. Hier kann man den lieben Gott nen guten Mann sein lassen.
Nach dem Essen fahren wir noch mit der Gondel hoch zur Mutter Georgiens. Unter uns liegt die beleuchtete Stadt. Warum es nach dem Beginn des Ukraine-Krieges viele Russen hierher gezogen hat, ist unmittelbar verständlich. Auf dem Nachhauseweg hole ich mir noch ne halbe Flasche georgischen Weißweins, setze mich in den Innenhof des Hostels und schreibe diesen Blog...
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Etappe II Kaukasusregion
Auf dem Weg nach Tbilissi war unsere Unterkunft von Seiten der Gastgeberin schon fast storniert. Habe während der Busfahrt ordentlich Druck gemacht, wir hatten wohl etwas Glück und konnten letztlich ohne Aufpreis in ein größeres Zimmer. Beim Auschecken hab ich dann doch das größere Zimmer bezahlt. Hintergrund unserer (Fast-)Stornierung war ne Doppelbuchung, zudem hatten die netten Gastgeber gerade Ärger wegen eines Zechprellers.
Wir sind in den Sonntagmorgen aufgebrochen, haben unsere Rucksäcke eingeschlossen und uns durch Tbilissi treiben lassen. Noch n paar Sehenswürdigkeiten angeschaut und viele kleine Details entdeckt. Auch hier wird die Synagoge von der Polizei bewacht. An jeder Straßenecke stehen Automaten, an denen man ÖPNV-Tickets und Handys nachladen kann, Energierechnungen bezahlen, Finanzthemen regeln, mit Behörden kommunizieren usw. So kann Digitalisierung auch laufen.
An einer Straße sitzt ein Messerschleifer, an einer anderen sehen wir endlich nen Granatapfelbaum, ein Apple-Store findet sich in einem runtergekommenen Haus, eine „Schlauch-Endkappe“ ist ne abgeschnittene Flaschenhälfte – sozialistische Improvisation hat bis heute überlebt. Überall Hunde (mit Markierungen im Ohr), die allerdings meist ruhig im Schatten liegen. Und es wird viel geraucht. Männer, Frauen, alle Altersgruppen. Frauen auch gern die langen schmalen Zigaretten (gab's in meiner Jugend schon mal als Trend). Zum Ausruhen legen wir uns auf dafür vorgesehene Bänke im Park und genießen das angenehme Klima.
Am frühen Abend geht’s in eine umgebaute Fabrik – dort ist rund um eine Jugendherberge eine kleine hippe Community entstanden. Mit Restaurant, Cafés, Keramik-, Klamotten-, Barbershop. Sehr entspannt und nett, aber preislich auch schon wieder im höheren Segment. Direkt daneben ein Restaurant aus unserer Empfehlungsliste. Wir probieren neue Dinge – auch die schmecken. Danach machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Diesmal Metro – wie bei allen ex-sowjetischen U-Bahnen müssen wir tief unter die Erde. Wie bei allen ex-sowjetischen U-Bahnen wird die Wartezeit bis zur nächsten Bahn runtergezählt. Neu sind aber kleine USB-Ladestationen in den alten sowjetischen Wagen.
Wir warten mit ein paar Mitreisenden auf unseren Zug, der um 22.45 Uhr fahren soll. Mal schauen...
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Der Zug kommt (aus Batumi) und fährt pünktlich. Mit uns zwei Frauen im Abteil. Marta und ich sind uns nicht ganz einig, ob Mutter und Tochter oder zwei ältere Damen, die vom gemeinsamen Nachsaison-Urlaub zurückkommen. Nägel fein lackiert, die Haut tief gebräunt. Im Kopf vielleicht die von Wehmut begleitete, langsam verblassende Erinnerung an viele aufregende Urlaube als Strandschönheiten in jungen Jahren. Zwei Strohhüte mit breitem GUCCI-Schriftzug baumeln etwas verlassen am Haken des Abteils. In Batumi wurden sie bestimmt keck, leicht aus der Stirn geschoben, auf der Promenade präsentiert. Jetzt warten sie darauf, zu Hause im Schrank zu verschwinden, wie all die anderen Sommersachen, die sich in den zwei Koffern stauen, die unter der gegenüberliegenden Sitzbank klemmen. Vor, zwischen und neben den Koffern stehen mehrere der obligatorischen Plastiktüten, die jeder russische/ georgische/ armenische Zugfahrer mit auf Reisen nimmt (die beiden kommen aus Armenien).
Gegen 01.50 Uhr stoppen wir an der georgischen Grenzstation. Die noch halb schlafenden Zuggäste torkeln zu einem beleuchteten Büdchen, einem Imbiss-Stand ähnelnd. Dort werden die Pässe kontrolliert und gestempelt. Nach einer halben Stunde sind alle wieder im Bett. Eine weitere halbe Stunde später kommt der Schlafwagenschaffner (sowas gibt’s noch) und bittet um die Pässe, schaut sie durch und legt sie aufgeschlagen und sauber gestapelt auf den Abteiltisch. Eine weitere halbe Stunde später schaut ein georgischer Polizist vorbei und stellt fest, dass alle Pässe ordnungsgemäß gestempelt sind. Wir fahren los und schlafen wieder ein. Einen Augenblick später erscheint der nette Schlafwagenschaffner erneut, macht das Licht an, während wir uns benommen die Augen reiben. Armenische Passkontrolle. Die Herren kommen mit kleinen Kästen, einer pro Abteil, und prüfen die jeweils vier Pässe. In fünf Minuten alles fertig, inklusive (schönem) Stempel.
Mit nun drei Stunden Verspätung setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung Richtung Jerewan. Die beiden Damen husten im Wechsel tief aus der Lunge. Vermutlich den Zigaretten gedankt, die neben den frischen Pfirsichen und dem Abfallbeutel auf dem Tisch liegen.
Am Morgen dann langsames Erwachen im Zug und in unserem Abteil. Aus dem Fenster ist der Ararat mit schneebedeckter Spitze zu sehen. Auf der Liege gegenüber wird ein letzter sonnengereifter Pfirsich vorsichtig mit dem Messer zerteilt. Wir fahren in Jerewan ein. Verspätung knapp zwei Stunden.
Für die Metro brauchen wir Bargeld. Schwer zu bekommen. Erst im vierten Versuch finden wir einen Geldautomaten, der was rausgibt. Glücklich, dieses Problem gelöst zu haben, fahren wir mit der Metro zum Apartment. Die Anweisungen zum Check-in kommen per Whatsapp. Moderne Welt. Nachdem wir drei Videos geguckt haben, finden wir den richtigen Hinterhof-Eingang und bewegen uns strikt nach Anweisung . Irgendwann landen wir im 6. Stock, Apartment Nr. 4. Hell, groß, mit großem Bad. Wunderbar, wir bleiben zum ersten Mal zwei Nächte.
Abends trödeln wir noch ein wenig durch die Stadt und finden wieder an jeder Ecke Automaten, an denen man sein Leben organisieren kann. Hab mal n bisschen gespielt - selbst Strafzettel und Steuern können per Klick bezahlt werden. Ein armenischer Rotwein begleitet mich und diesen Blog in die Nacht 🍷
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Etappe II Kaukasusregion
Heute wurde ausgeschlafen. Dann Haare, Socken und Unterwäsche gewaschen. Kleines Frühstück zu Hause – Obst, Joghurt, unbekanntes Joghurtähnliches, etwas Gebäck. Und auf geht’s in die Stadt. Ein paar Standardsehenswürdigkeiten. Davon beeindruckt am meisten das Genozid-Denkmal. Wie die Wirkung entsteht, verstehe ich nicht, aber im Denkmal mit der ewigen Flamme ist man automatisch ergriffen. Interessant ist auch, dass man auf Fotos kaum unterscheiden kann, ob U-Bahn-Station oder Kirche. Die (ehemals) russischen Metro-Stationen sind teilweise ziemlich sakral gebaut.
Im Anschluss nutzen wir zum ersten Mal die YandexGo-App (russisches Äquivalent zu Uber/Bolt). Funktioniert auch bestens. Für unter 2€ fahren wir in nem Privatauto in 10 Minuten in die Stadt. Und lassen uns mit offenen Augen treiben. Obst in Hülle und Fülle, Wasserspender mit Trinkwasser in der ganzen Stadt, sozialistische Wohnblockssünden, Graffitis, viele Blumenstände, Kryptozentrum, Schnapsfabrik, Ampeln mit runterzählender Zeit. Und natürlich der Lebensmittelmarkt. Ein Teil ist auf Touristen eingestellt (abgepacktes Trockenobst), aber an den anderen Ständen gibt es von Fleisch über Käse, Gemüse, Fermentiertes, Obst, Hausweine, Hausschnäpse, Gewürze, … nahezu alles. Vor allem aber einen Riesenbereich mit großen Fladenbrotplatten, die übereinandergelegt geschnitten und verpackt werden. Einfach nur beobachten macht schon Spaß. Als Mittagsimbiss gibt’s für uns ein frisch gebackenes Fladenbrot mit Paprikapaste, Gewürzen und Käse.
Gegen Abend setzen wir uns in einen Park und machen die Beine lang, später essen wir in einem typisch armenischen Restaurant. Lecker. Im Anschluss muss ich mich um usbekische Bahnfahrkarten kümmern, da die besten Züge schon wieder ausgebucht sind. Alles nicht so einfach, wenn man im Heute Eindrücke sammelt und gleichzeitig sieben, vierzehn und bis vierzig Tage nach vorn planen muss...
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Heute morgen gab's wieder ein kleines Frühstück im Apartment, und wir klären mit der Unterkunft von übermorgen unsere Anreise. Parallel kommt der Steuerbescheid 2022 rein, der zu meiner Krankenkasse muss. Die Seite ist nicht erreichbar, auch per App funktioniert nichts. Beim Check, ob die Webseite offline ist, klare Ansage, dass sie probelmlos laufe. Oh. ??? VPN eingeschaltet und alles klappt. Offenbar werden armenische IP-Adressen irgendwo gesperrt.
Mit dem letzten Kleingeld fahren wir Metro zum Bahnhof. Setzen uns in ein Café und trinken noch was. Später suche ich im Bahnhof eine Toilette, finde nichts und klopfe bei der "дежурная вокзала" (Bahnhofsdiensthabende). Frage, wo es eine Toilette gäbe und bekomme ein schroffes "Keine Toilette" zurück. Nichts weiter. Ein mit im Zimmer sitzender Reinigungsmann erbarmt sich meiner, zeigt in eine Richtung und nuschelt etwas. Ich laufe in die gezeigte Richtung und hoffe auf eine Eingebung. Die kommt tatsächlich, als ich einen kleinen Markt sehe und den russischen Ausdruck für „auf dem Markt“ (на Рынке) mit dem lautmalerischen „Rinke“ des Mannes übereinanderbringe.
Beim Weg zum Bahnsteig fällt mir wieder der rote Getränkeautomat mit der Aufschrift „Sprudelwasser“ auf. Ach, jetzt kommen bei mir leicht wehmütige Erinnerungen an Kindheitstage am Schwarzen Meer zurück. Mit ner 3-Kopeken-Münze in der Hand sind wir zu diesen Automaten gelaufen, haben das im Automaten stehende Glas durch kurzen Druck gespült, unter die Ausgabe gestellt und das mit Sirup versetzte kalte Sprudelwasser erst ins Glas laufen sehen und dann mit Begeisterung getrunken. Wenn wir keine 3-Kopeken-Münzen hatten, tat’s eine Kopeke. Für Wasser ohne Sirup. Dieser Retro-Automat hier gibt leider Flaschen aus. Gegen Geldschein.
Interessant ist auch, dass es den Händlern/ Verkäufern hier in Georgien/Armenien schwerfällt, unsere Nationalität richtig zu erraten. Häufig werden wir als Russen angesprochen, auch als Serben, Slowaken, Brasilianer. Offenbar kommen vergleichsweise wenig Touristen aus Westeuropa hierher.
Im Zug teilen wir unser Abteil mit einer jungen Frau aus Kazakhstan, die gerade aus Polen, Deutschland und Moldawien zurückkommt und mit ihrer Mutter nun in Batumi noch einen Spätsommerurlaub verbringen will. Sie hat deutsche Wurzeln und einen deutschen Vornamen. Mit ihrem Deutsch und meinem Russisch kommen wir einigermaßen klar in der Verständigung.
An der armenischen Grenze sind wir mit der Passkontrolle wieder ruck-zuck durch. Auf der georgischen Seite funktioniert es diesmal auch entsprechend dem Fahrplan unseres Zuges. Pässe kontrolliert und gestempelt und weiter geht’s nach Tbilissi. Zum ersten Mal kommen wir pünktlich an. 0.11 Uhr. Da ich bei der Fahrt nach Jerewan einen Hinweis auf ein Hotel im Bahnhof gesehen habe, wurde schnell noch umgebucht, so dass wir 10 Minuten nach Zugankunft schon auf dem Zimmer sind. Vom Balkon schauen wir aufs nächtliche Tbilissi.
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Etappe II Kaukasusregion
Wache früh auf und muss dringend ins Bad. Über meine ohnehin schon leichte Magenverstimmung hat sich noch n leichter Infekt gelegt. Mit durchschlagendem Ergebnis. Löse mir nen Tütchen Elektrolyt auf und schlucke eine Perenterol. Das sollte eigentlich reichen. Wir sind müde, draußen regnet es leicht, so richtig Lust auf einen letzten Bummel in der Stadt haben wir nicht. An der Hotelrezeption können wir netterweise unsere Rucksäcke abstellen, danach laufen wir abseits der touristischen Ecken zum großen Lebensmittelmarkt. Im Prinzip gleichen die sich überall – bis auf Spezialitäten, die es eben nur in einzelnen Städten/Regionen gibt. Trotzdem macht es Spaß, durch die Gänge zu schlendern.
Nur kaufen können wir nix, weil es heute Nachmittag mit dem Flugzeug nach Baku geht und wir ohnehin Sorgen mit unserem Gepäck haben. 10kg Handgepäck mit 55x40x23 sind erlaubt. Das wird in mehreren Dimensionen knapp. Wir haben die Klamotten übereinander an, um Luft im Rucksack zu schaffen, Akku, Festplatte, Laptop usw. sollen in den Jackentaschen verstaut bzw. in der Hand mit an Bord genommen werden. Mal schauen, ob das klappt. (Wir hoffen, dass dies unser einziger Flug bleibt. Er ist nötig, da man nach Aserbaidschan nur per Flugzeug einreisen kann. Ausreisen auf dem Landweg soll funktionieren. Wir werden es ausprobieren.)
Auf dem Rückweg zum Hotel fragen wir in zwei Apotheken, ob sie Magnesium-Tabletten haben. Der alte Mann hat nach 10/12km-Fußweg-Tagen gelegentlich Wadenmuskelschmerzen. Ja, die hätte man. Döschen mit 90 – 120 Tabletten (Tagesbedarf) kosten zwischen 29 und 60€. Auf meinen erschreckten Blick kommt der Hinweis, dass die aus Deutschland seien. Geniales Pricing. Absolutes Hochpreissegment, um die Oberschicht hier in Georgien abzuschöpfen.
Zum Flughafen fahren wir erst Metro und dann Bus. Beim Umsteigen soll uns google maps helfen, aber sowohl die App als auch wir sind hoffnungslos verloren. Glücklicherweise hilft uns ein Mann auf Russisch tatsächlich weiter – den Weg hätten wir nie gefunden. Im Flughafen müssen wir als Erstes zur Gepäckkontrolle. Das ist die erste Hürde. Mit all unserem elektronischen Zeug, den Tuben und Sprays für diverse Zipperlein, Zahnpflege oder gegen Mücken laufen wir Gefahr, dass wir den gesamten Rucksack komplett auspacken müssen. Was sehr ärgerlich wäre, da wir schon mühsam auf die Gepäckgrößenbeschränkung hin gepackt haben. Bei mir ist alles fein, Marta erwischt es aber. Am Ende ging es um eine kleine Klinge in einem Kompaktbesteckset, das man auseinandernehmen kann. Der Rucksack geht nochmal in den Scanner, alles gut, Besteck dürfen wir mitnehmen. Die Passkontrolle zieht sich etwas, bleibt aber ohne Probleme.
Nun müssen wir noch in den Flieger kommen. Und das hat geklappt. Nach kurzem Flug drücken die Ohren wegen meiner Erkältung ganz ordentlich. Am Boden läuft dann alles glatt durch. Pass- und Zollkontrolle, Geld abeheben, Busticket kaufen, Fahrt in die Stadt. Schnell ins Hotel und dann was fürs Abendessen gesucht. Bakus Stadtzentrum überrascht total. Abends sind viele Menschen auf den Straßen, die neuen/renovierten Gebäude werden festlich beleuchtet, überall Musik und in lauer Spätsommernacht trödeln die Menschen durch die Fußgängerzone. Mich erinnert das ein weing an Dubai.
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Etappe II Kaukasusregion
Wir haben lange geschlafen, vielleicht auch, weil uns nachts die Mücken ein wenig gepiesackt haben. Dann geht’s aber los zum obligatorischen Stadtrundgang. Marta sucht die zu besuchenden Orte raus und führt uns durch die Stadt. Das ist unsere Arbeitsteilung – ich muss parallel halt die nächsten Bahn-/Bustickets buchen, Unterkünfte im Auge behalten und den Weg vom Bahnhof zur Unterkunft (Verkehrsmittel, Bezahlung, Geld besorgen) planen.
Unser Stadtbummel führt uns zunächst in die Altstadt, die sehr schön restauriert ist. Dort gibt’s jede Menge Touristen, islamische, westlich(-christlich)e und asiatische. Die Altstadtarchitektur ist muslimisch geprägt, später sind europäische Einflüsse dazugekommen. Granatapfel- und Olivenbäume wachsen nebeneinander auf öffentlichen Flächen. Im neueren Teil der Stadt wurde am Wasser ein 3km-Boulevard angelegt, riesige Glaspaläste prägen den Horizont, aber auch Wohnhäuser wurden modern gebaut. An den Straßen finden wir noch letzte Zeichen vom Formel-1-Zirkus, der in der letzten Woche in Baku durchzog. Und auf dem Wasser entlag der Promenade liegt ein dünner Ölteppich.
Ansonsten fallen uns ein Kakteen-Garten auf, eine mit Kussmündern verzierte Wand, ein „Deutsche-Produkte-Laden“, alt-sowjetische Improvisationsanschlüsse für Wasserleitungen, selbst-getunte und wahnsinnig schnelle Mountainbikes zur Essenauslieferung, Gondoliere in einem sehr künstlichen „Klein-Venedig“, denen Social Media und Sprachnachrichten wichtiger sind als ihre Gäste und sehr viele Geschäfte und Restaurants für die Reichen und Schönen. Wir freuen uns immer, wenn wir einen kleinen Laden finden, in dem vorwiegend Einheimische essen. Und haben hier in Baku Glück mit einem äußerlich reichlich unansehnlichen Laden, in dem wir lecker Döner und Lahmacun bekommen.
Insgesamt erscheint die Stadt auch heute ein bisschen wie ein Schmelztiegel aus muslimischen und europäischen Traditionen und Völkern – wobei russisch schon relativ viel zu hören ist. Die Aserbaidschaner haben sich allerdings auf Touristen aus der ganzen Welt eingestellt und sprechen sowohl Englisch als auch Russisch. Daher können wir mit einem Mann auf dem Boulevard und unserem Hotel-Gastgeber länger über die Stadt und den Tourismus allgemein reden. Die Menschen sind weltoffen, wenn nur die Einreise nicht so mühsam wäre.
Unser Abendessen ist wieder sehr lokal und sehr lecker, einzig eine Pepperoni hätte uns fasst umgebracht. Schärfegrad auf der Scoville-Skala wahrscheinlich um 100.000. Reingebissen und Ende der Veranstaltung. Unglaublich scharf. 🥵Wir genießen beim Rückweg ins Hotel nochmal die Abendstimmung und denken an morgen. Es beginnt eine neue Etappe und wir müssen sehen, wann wir uns auf diesem Kanal wieder melden können...
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Etappe II/III Kaukasusregion/Geheimnisvolles
Auf geht’s in einen vermutlich langen, anstrengenden und aufregenden Tag. Zunächst mal müssen wir zum Busbahnhof – dank Bolt-Taxis ist das schnell erledigt. Dann gilt es, am Busbahnhof überhaupt erst einmal Busse zu finden. Unten und auf der ersten Etage befinden sich riesige Flure mit Geschäften. Auf der zweiten Etage werden wir fündig. Müssen aber dreimal nachfragen, bis wir endlich den Bus ins 300km entfernte Astara gefunden haben. Vor ner Woche hatte ich unsere Tickets online gebucht und immer mal verfolgt, ob überhaupt noch jemand dazu kommt – mit der Sorge, dass dann der Bus vielleicht nicht fährt. Am Ende sitzen 28 Personen in unserem Bus, der mit 20 auch schon voll gewesen wäre. Neben mir, auf der anderen Seite des Ganges, eine alte Frau. Ganz in schwarz, die Ärmel leicht gold-blau bestickt. Schwarzes Kopftuch, ebenfalls blau-gold verziert. Darüber noch ein weißes Kopftuch. Die Hände gepflegt, kurze Fingernägel, aber von körperlicher Arbeit Finger, die doppelt so dick sind wie meine. Ansonsten sitzt im Bus alles vom Arbeiter bis Familienvater im Anzug.
Knapp eine Stunde vor der geplanten Zeit kommen wir in Astara an. Ein netter Mitreisender hilft uns bei der Orientierung, wie wir zur Grenze kommen. Taxi nehmen, 2 Dollar bezahlen. Klappt. Nur wir müssen die Grenze suchen. Wir gehen auf eine offene überdachte Halle zu, deren Rückwand schwere Gitter bilden, die gut für Viehgitter durchgehen. Kurz davor gibt es nach links einen Durchgang, der zu einem Tor führt, an dem Uniformierte stehen. Da wir unsere Pässe schon in der Hand haben, werden wir rangewunken. Endlich Abwechslung im tristen Alltag. Oh, Germania. Gleich per walkie-talkie weitergemeldet – wir sollen durchgehen. Es geht durch komplett verödete Gänge, die alten Duty-Free-Zeichen und Zigarettenwerbungen blättern ab. Hier war früher viel los, seit drei Jahren gar nichts mehr. Einreise auf dem Landweg nach Aserbaidschan unmöglich. Und die paar, die nur rauswollen, kann man an einer Hand abzählen. Nächste Station Zollkontrolle. Einmal die Rucksäcke und Taschen durch den Scanner geschickt. „Auf Wiedersehen.“ auf deutsch. Oh, denken wir, das geht ja super schnell. Dann Passkontrolle. Der Beamte findet was und bittet uns, Platz zu nehmen und zu warten. Ein paar Minuten später kommt ein Oberleutnant und befragt uns auf Englisch, was wir in Armenien gemacht hätten und ob wir wüssten, dass dies der Feind Aserbaidschans sei. Ein paar Sätze später und sehr freundlich erklärt er uns, dass wir weiter dürften, aber ein Protokoll angefertigt werden müsste. Das dauerte dann alles länger, immer wieder unterbrochen durch Nachfragen nach dem aserbaidschanischem Visum, dann dem iranischen, unseren Telefonnummern usw. Erst als das iranische Visum als gültig bestätigt wurde, gibt’s den Stempel in den Pass.
Danach laufen wir einen ca. 50m langen Gang entlang, an dessen Ende wieder ein Viehgitter-gleiches Tor ist. Ein Beamter schließt die Kette auf, lässt sich unsere Pässe geben und fragt per Walkie-Talkie, ob wir gerade durch die Passkontrolle gegangen seien. Wir verabschieden uns und haben nun nur noch den Weg nach vorn. Das Visum Aserbaidschan ist nicht mehr gültig… Es geht über eine Brücke, ab der Hälfte wehen iranische Fahnen. Am Brückenende ein netter junger Soldat, der sich auch über Abwechslung freut. Kurzer Blick auf die Pässe, dann kommt schon der nächste Grenzer. Pässe abgeben und bitte dort entlang. Wieder abblätternde Duty-Free-Zeichen, wieder völlig verwaiste Flure. Wir werden in einen Warteraum gesetzt, per Handy-Übersetzungs-App erfahren wir, dass das System für ausländische Bürger gerade abgestürzt sei. Es geht dann aber doch relativ schnell, wir bekommen unsere Pässe, werden immer wieder gefragt, wo wir herkämen und dürfen zum Zoll. Dort steht schon unser Abholer, Herr Khan, und winkt. Die Rucksäcke werden gescannt, alles gut. Wir verlassen das Gebäude, Herr Khan beginnt schon mit seinen Erklärungen. Plötzlich ein kurzer Ruf – es gibt noch ein Problem. Wir sollen noch zur Polizei kommen. Werden in einen Raum gebeten, mögen uns doch gern hinsetzen. Glücklicherweise ist Herr Khan dabei. Es wird Tee angeboten. Wir lehnen erst ab, erfahren dann aber, dass man die Gastfreundschaft nicht ablehnen sollte. Ja, gern trinken wir Tee. Es werden Fragen nach unseren Berufen gestellt, wo wir im Iran hinwollen, wie lange wir bleiben, welche Transportmittel usw. Das alles nicht zack, zack, zack. Sondern verwoben mit Gesprächen über deutsche Fußballklubs, deutsche Automarken, iranisch-türkisches Essen und noch mehr. Die Atmosphäre bleibt dadurch lockerer (auch wenn ich ziemlich angespannt bin). Zudem wundern sich die iranischen Beamten, dass wir die Stempel von Armenien und Aserbaidschan im Pass hätten. Wie wir das denn geschafft hätten.
Am Ende ist alles gut. Auch dank Herrn Khan, der immer wieder auflockernd und übersetzend eingreift. Wir verabschieden uns, bekommen gute Wünsche für die Reise mit und erleben wieder einmal eine leichte Bewunderung für alles Deutsche.
Die Fahrt nach Täbriz sind nochmal 300km – das schlaucht ganz schön. Eine Pause zwischendurch, kleiner Tee, Brot, Äpfel, getrocknete Kirschen und Pfirsich aus dem Garten des Fahrers. In Täbriz angekommen, geht’s kurz ins Hotel, an der Rezeption spricht auch jemand deutsch, danach nimmt Herr Khan uns in einen Stadtbus mit. Frauen hinten, Männer vorn (das gilt wohl nur für Stadtbusse, in der Metro etc. sei gemischt üblich). Ein erster Spaziergang über eine Flaniermeile – es ist kein Unterschied zu westlichen Städten zu sehen. Im Gegenteil, die Geschäfte sind gut besucht, Imbissstände überall und wir bekommen immer wieder „Hallo.“, „How are you?“ oder „Welcome.“ zugerufen. Schnell die Finanzen in Herrn Khans Büro erledigt, dann organisiert er uns noch einen leckeren Kebap. Wir sitzen nicht an Tischen, sondern auf mit Teppich ausgelegten Podesten im Schneidersitz. Bekomme ich natürlich nicht hin und werde belustigt von den Einheimischen beobachtet. Das Essen schmeckt trotzdem. Herr Khan setzt uns dann in ein Taxi und wir sinken erschöpft auf die Betten. Schreiben an unserem Blog und versuchen, der SIM-Karte das Datenvolumen zu entlocken…
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